Dass es bei der Entwicklung des gefloppten und mittlerweile nicht mehr spielbaren Shooters The Day Before zu einer Reihe undurchsichtiger Umstände kam, ist kein Geheimnis. Wie desolat die Zustände aber tatsächlich waren, zeigt nun eine Investigativ-Reportage.
Demnach seien nicht nur die Arbeitsbedingungen mitunter katastrophal gewesen, auch wurden die Mitarbeiter nahezu darüber im Unklaren gelassen, woran sie eigentlich arbeiten – selbst den Chefs vom kurz nach dem Release des Spiels aufgelösten Entwicklerstudio Fntastic schien nicht ganz klar gewesen zu sein, was sie eigentlich wollen.
The Day Before: Entwickler änderten regelmäßig die Ausrichtung des Spiels
In der gemeinsamen Reportage von Game Two und GameStar wird nicht nur die Entstehungsgeschichte von The Day Before beleuchtet, sondern auch die der Fntastic-Gründer Eduard und Aisen Gotovtsev. Deren erster großer Gedankenwandel für ihr größtes Gaming-Projekt war ein Wechsel der Optik von einem comichaften zu einem deutlich erwachseneren und realistischeren Look – zu einem Zeitpunkt, an dem die Entwicklung schon ein gutes Stück vorangeschritten war. Als jedoch der erste Trailer von The Day Before Anfang 2021 große Wellen schlug, war – wie sich später herausstellte – von den gezeigten Inhalten kaum etwas im tatsächlichen Spiel. Sie seien extra für den Trailer hergestellt worden, heißt es.
Dass das Spiel immer wieder verschoben wurde, sei auf die intern zunehmend unrealistischeren Deadlines zurückzuführen gewesen. Gleichzeitig hätten sich die Geschäftsführer auf keinen klaren Ansatz für das Spiel festlegen wollen – was auch immer gerade in den Videospielwelt angesagt war, ob kürzlich beispielsweise Baldur’s Gate 3 oder Marvel’s Spider-Man 2, hätte den Gotovtsevs Ideen gegeben, die es auch in The Day Before schaffen sollten.
Der vielleicht größte Skandal zeigt sich in den Arbeitsbedingungen, die geherrscht haben sollen. Nach außen hin wollten die Gotovtsev-Brüder das Fntastic-Team – von denen ein Gros als Volunteers, also unbezahlt dort arbeitete – als eine Art große Familie darstellen, übten aber dennoch unverhältnismäßigen Druck aus. Weil auch mal Mitarbeiter „aufgrund fehlender Motivation“ gefeuert wurden, hätte sich niemand getraut, Bedenken zu äußern.
16 Stunden Arbeit, kein Urlaub, keine Bezahlung
Das Team bestand wohl aus größtenteils sehr jungen Leuten aus Ländern und Regionen, in denen es eigentlich keine andere Möglichkeit gab, in die Gamesbranche einzusteigen. Das nutzte die Fntastic-Führung gnadenlos aus: Es sei nicht nur zu – natürlich ebenfalls unbezahlten – Überstunden gekommen, einige Mitarbeiter hätten sogar über Monate jeden Tag gearbeitet, nie weniger als 16 Stunden und bei einer Betriebszugehörigkeit von zwei Jahren auch ohne Urlaub. Für Fehler in der Produktion seien sogar Geldstrafen in vierstelliger Höhe ausgesprochen worden, die bezahlten Kräften vom Lohn angezogen wurden.
Hätte man sich gewisse Chaos-Szenarien bei der ganzen Historie dieses Spiels, und besonders während des Zeitraums rund um die tatsächliche Veröffentlichung von The Day Before, vielleicht ausmalen können, so lässt dieser Bericht so manchen sicherlich fassungslos zurück. Dass die Fntastic-Verantwortlichen – die in der Reportage nicht nur einmal als größenwahnsinnig gezeigt werden – die Schuld nicht einmal bei sich suchen, sondern eine Hasskampagne wittern, verdeutlicht deren verklärte Sicht und im besten Fall als zwielichtig zu bezeichnende Vorgehensweise. Eine potenzielle Rückkehr der Gotovtsev-Brüder in die Branche sollte nicht nur Videospiel-Fans eine Warnung sein.
Eine Anekdote aus dem Report fand ich auch sehr erwähnenswert: Während die beiden Brüder sich zu jeder anderen Zeit tyrannisch verhielten und ihre Mitarbeiter dauerüberwachten, sollen die während des wichtigsten Zeitpunkts für ein Spiel überhaupt, nämlich dem Release und dem Releasewochenende, wie vom Erdboden verschwunden sein, seien weder auffind- noch ansprechbar gewesen, und die restlichen Entwickler ließe man während dieser turbulenten Zeit planlos im Dunkeln waten. Erst am Montag meldeten sich diese dann plötzlich via Microsoft Teams, um mitzuteilen, dass TDB ein Flop war und sie ihr Studio auflösen.
Erbärmlich schlechter Führungsstil einfach nur. Es mag kein typischer Scam gewesen sein, aber mit solchen Chefs hätt das ohnehin auch nie was werden können.