Seid ihr schon einmal in einem Videospiel den Eltern eures Charakters begegnet? Nein? Nun, das ist keine allzu große Überraschung, denn vergleichsweise selten spielen die Erzeuger eine prominente Rolle. In Starfield ist das aber möglich und das nicht nur aus rein anekdotischen Gründen.

Um euch ein wenig abzuholen, worüber ich eigentlich rede: zu Beginn des Weltraum-Rollenspiels dürft ihr eure eigene Vorgeschichte mit jeweils einem Vor- und Nachteil anhand von ein paar Merkmalen festlegen. In den Traits zwischen Eigenheim und Heldenverehrung findet sich auch der Kinderkram. Ein durchaus spannender Begriff, sorgt er doch dafür, dass ihr eure Eltern in Starfield besuchen dürft – während ihr im Gegenzug jede Woche zwei Prozent eurer Credits abdrücken müsst. Nunja, die Renten sind in der Zukunft wohl auch nicht besser…

Starfield: Regelmäßige Eltern-Geschenke

Da ich ein Fan von außergewöhnlichen Mechaniken in Rollenspielen bin, entschied ich mich also direkt dafür, denn wie eingangs erwähnt: Wann ist es schon mal möglich, die eigenen Eltern zu treffen? In gewisser Weise ist das Merkmal kein Neuland für Bethesda, aber die Implementierung ist in Starfield auf einer anderen Ebene, die für mich zu den Highlights des Spiels gehört. Die offensichtliche Gründe spielen dabei nur bedingt eine Rolle.

Ein bisschen Geld dafür, dass die Eltern noch leben? Deal!

Denn ja, ich muss zwar ständig etwas von den eigenen Credits abgeben, aber im Gegenzug gibt es hin und wieder ein paar echt spannende Geschenke. Ich will diesbezüglich nicht zu sehr in die Details gehen, aber die Zuwendungen sind definitiv lohnenswert und reichen weit über ein Mittagessen hinaus. Wobei Letzteres auch nicht zu verachten ist, denn wir wissen ja alle: Bei Muddern schmeckt’s immer noch am besten.

Die Geschenke sind jedoch nur eine nette Dreingabe und fangen, ganz nüchtern betrachtet, rein materiell schon den Nachteil auf. Zwar klingen die regelmäßigen Credit-Zahlungen nach viel, aber das Thema ist schnell Geschichte, da ihr in Starfield an jeder Ecke eine Möglichkeit findet, genügend Credits zu verdienen. Somit fallen die zwei Prozent schon nach kurzer Zeit eigentlich kaum ins Gewicht, weshalb ihr ohne große Konsequenzen zu befürchten, das Merkmal aktivieren könnt.

Die eigentliche Stärke: Immersion

Die eine oder andere Belohnung dafür, dass ich meine Eltern in Starfield regelmäßig besuche, ist aber nicht der Grund, warum mich das Merkmal so überzeugte. Viel lobenswerter ist die Implementierung von Mama und Papa in die Story, wodurch mein Charakter automatisch viel mehr Tiefe erhält. Statt nur ein weitgehend seelenloser Held zu sein, der halt das jeweilige Ziel löst und mehr oder weniger via Zufall am Ort des Geschehens landet, erhalte ich durch das Auftauchen der Beiden ein Gefühl, als würde mein Held schon viel länger Teil der Spielwelt sein.

Es ist ein zugegeben recht simpler, aber verdammt cleverer Trick, den die Entwickler mit viel Sorgfalt umgesetzt haben. Statt die Eltern einfach in eine Hütte zu setzen, in der sie ihren Lebensabend verbringen und komplett an den Rang gedrängt sind, nutzt Bethesda viele Möglichkeiten aus, um sie aktiv im Spiel zu halten. Sie besuchen mich am Arbeitsplatz, verschicken hin und wieder ein paar Briefe und haben stets etwas zu erzählen, wenn ich mal bei ihnen vorbeischaue.

Manche Dialoge könnten exakt so aus der Realität stammen – Eltern eben.

Vor allem sind die Dialoge mit beiden Elternteilen wirklich gut gelungen, decken sie doch eine ganze Menge Klischees ab: Papa erzählt vom gewonnenen Pokermatch und dem kürzlich erfolgten Ruhestand, während Mama sich sehr dafür interessiert, ob man denn nun endlich eine vernünftige Beziehung führen würde. Da wird so manche Erinnerung an frühere Familienfeste geweckt – zumindest für mich fühlte es sich oft so an.

Ein Hauch von Baldur’s Gate 3

In diesem Moment erinnerte mich Starfield aber auch noch an ein anderes, ebenfalls erst kürzlich veröffentlichtes Rollenspiel: Baldur’s Gate 3. Nein, nein, keine Sorge, ich will hier gar keinen Vergleich zwischen beiden Schwergewichten ziehen. Das ist auch ehrlich gesagt kaum möglich, da sowohl Bethesda als auch Larian ganz andere Ziele verfolgen und dementsprechend ihre Spiele sehr unterschiedlich gestalten. Trotzdem gibt es einen Punkt, in der sie sich ein Stück weit ähneln und zwar beim eigenen Charakter.

In beiden Spielen kann dieser eine vergleichsweise leere Hülle sein, die man durchs Spiel trägt und mit ihr sämtliche Aufträge absolviert, wie sie einem halt vor die Füße gelegt werden. Aber sowohl Starfield als auch Baldur’s Gate 3 bieten schon in der Charaktererstellung die Möglichkeit, mehr aus diesem Helden zu machen. Sie in ihren jeweiligen Welten zu verankern, in dem man ihnen eine Hintergrundgeschichte verpasst und diese sich auch anschließend bemerkbar macht.



Natürlich ist eine Origin-Geschichte wie das Dunkle Verlangen in Baldur’s Gate 3 viel tiefer und ausführlicher als die eigenen Eltern in Starfield, gar keine Frage. Dennoch erfüllen schlussendlich beide einen sehr ähnlichen Zweck: Ich fühle mich meinem eigenen Charakter eine ganze Ecke mehr verbunden und muss mir seine Vergangenheit nicht nur in Gedanken vorstellen, während er dennoch formbar bleibt. Anders als etwa ein Geralt aus The Witcher 3: Wild Hunt oder Aloy in Horizon Zero Dawn, die ebenfalls tolle, klar definierte Charaktere sind, aber trotz möglicher Entscheidungsfreiheit immer sie selbst bleiben.

Natürlich gibt es in Starfield noch andere Traits, die ebenfalls nützlich und/oder spannend sind. Mit einem wird man beispielsweise eine Art Superstar, der stets einen nervigen Fan an den Hacken hat. So interessant ausgearbeitet wie die Eltern sind die in der Regel jedoch nicht. Das gilt allerdings auch noch für ein paar andere Dinge, wie unser Test zu Starfield aufzeigt.

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