Nach dem Bericht über die angeordnete Sechs-Tage-Woche und dem Bruch des Crunch-Versprechen bei der Entwicklung von Cyberpunk 2077 (wir berichteten) sind weitere Informationen über die Arbeitsbedingungen bei CD Projekt Red aufgetaucht. Abermals ist der für gewöhnlich gut vernetzte Jason Schreier von Bloomberg involviert, obwohl er sich genötigt sah, sich für seine Crunch-Geschichte zu rechtfertigen und Beweismaterial (E-Mail) offenzulegen.

Diesmal hat sich ein vermeintlicher Mitarbeiter von CD Projekt bei Reddit zu Wort gemeldet und seine Erlebnisse geschildert – in einem Beitrag, der mittlerweile gelöscht wurde (Details). Jason Schreier hat nach eigenen Angaben mit der Person telefonieren können. Er schätzt die Darstellung als glaubwürdig ein, da er auch von anderen Unternehmen in dem Bereich ähnliche Geschichten gehört hätte, u.a. von Naughty Dog bei The Last of Us Part 2.

Der Führungsetage von CD Projekt Red wird demnach ein “toxischer Managementstil” gegenüber den Entwicklern und Realitätsverlust vorgeworfen. Demnach waren die Entwickler schon zwei Jahre vor der Crunch-Ankündigung auf einem “Todesmarsch” und die zeitliche Planung des Projekts sei ohnehin katastrophal gewesen, da sie “Ewigkeiten in der Pre-Production-Phase” festhingen und danach alles nur noch schnell-schnell gehen musste. Einige Verschiebungen des Rollenspiels oder andere Details (Gold-Status) sollen angeblich nicht intern kommuniziert worden sein. Die Angestellten erfuhren davon via Twitter und erst später via Mail vom Chef.

Die Quelle schreibt, dass manche Mitarbeiter seit Juni 2019 knapp 16 Stunden pro Tag im Büro wären und auch am Wochenende gearbeitet werden müsste. Manche Abteilungen würden seit Mitte 2018 so arbeiten. Und wenn die Arbeitsbedingungen und die Umstände an die Öffentlichkeit gelangen würden, würde die Studio-Leitung stets mit den gleichen “Copy-&-Paste-Phrasen” reagieren, dass sie “voller Leidenschaft” wären oder “Rebellen seien”.

Die Quelle meinte weiter, dass die Chefs nicht wissen würden, was sie tun, aber “endlos Geld” hätten und alles mit Überstunden oder Crunch lösen könnten. Schon bei The Witcher 3 soll es so abgelaufen sein und die Verantwortlichen seien immer noch am Ruder. Das Management hätte sich komplett von der Realität bei den Entwicklern und der Entwicklung verabschiedet, heißt es. Auch die Bonuszahlungen würden keinesfalls den Mehraufwand kompensieren.

  1. Ich denke, ich werde das Spiel wegen den Arbeitsbedingungen nicht kaufen und mich in Zukunft vor einem Kauf ausgiebig über den Entwicklungsprozess informieren. Das hat nicht mehr viel mit "Spaß" zu tun.
    Ich mache auch oft Überstunden, aber nicht mal Ansatzweise in diesem Ausmaß.

  2. Ryan2k6 hat geschrieben: 23.10.2020 13:22Ich bezweifle, dass jemand 2 Jahre lang Mo-Fr 15h und am Wochenende auch noch ein paar Stunden arbeitet und dabei zusammenzubrechen. 2 Monate, ok, 2 Jahre? Unwahrscheinlich.
    Zumal, was soll denn da noch an Leistung kommen? Nichts mehr, da wandelt man halb tot umher.
    Klar geht das. Es kommt immer darauf an, was man da macht und wie hoch die Motivation ist, die Arbeit auch zu erledigen.
    Als ich mein Gewerbe damals startete, gönnte ich mir die ersten 2 Jahre nicht einen freien Tag und war stets 12 Stunden am Arbeiten, der Rest des Tages war, sofern ich wach war, "Bereitschaft". Nach 2 Jahren gönnte ich mir dann den Sonntag als freien Tag, weil ich merkte, dass ich körperlich und geistig zu kämpfen hatte und nach 3 Jahren war ich dann soweit, dass ich mir das Wochenende frei nahm - unter Bereitschaft und mit Notrufnummer für die Mitarbeiter, aber immerhin.
    Wer "Bereitschaftsdienst" in "Arbeitszeit" umwandelt, der kommt schnell auf 18-Stunden-Tage, weil das ja auch immer wieder mal hieß, dass man eben doch "mal schnell" ran musste.
    Hier war die Motivation für mich, mir etwas aufzubauen. Da ich selber in der Gamesindustrie seit über 12 Jahren tätig bin, weiß ich aus erster Hand, dass es genügend Mitarbeiter gibt, die ihr Leben lang davon geträumt haben, selber Spiele zu entwickeln. Oder daran zu arbeiten, tolle Spiele zu schaffen. Und ein CDPR ist nicht nur großer ein Name, auch die Erwartungen an Cyberpunk sind gewaltig; das gilt nicht nur für die Chefs. Hier triggern also die Eigenmotivation, bei so einem großen Werk dabei sein zu dürfen und der gewaltige Druck von außen (also auch von außerhalb des Studios), die einen dazu bringen, regelmäßig über das gesunde Maß hinaus zu arbeiten.
    Und jetzt kommt in Polen noch etwas hinzu. Arbeitsgesetze hin oder her, aber wer sich mal mit polnischen Entwicklern ausgetauscht hat, der weiß auch sehr gut, dass es neben CDPR nicht sehr viel (großes) in Polen gibt. Wer es erst einmal geschafft...

  3. Randall Flagg hat geschrieben: 21.10.2020 19:44
    Grauer_Prophet hat geschrieben: 19.10.2020 04:52
    SethSteiner hat geschrieben: 18.10.2020 22:27 Das Thema hatten wir schon. Störst du dich auch am Begriff Deadline oder ist der okay?
    Deadline ist wohl weit aus verbreiteter und daher im Englischen Sprachraum durchwinkbar.(diskutabel aber auch)
    Im deutschen Sprachraum ist mir diese unötige Verenglischung sowieso ein Dorn im Auge und Todeslinie wird zurecht nicht verwendet-warum wohl?
    Weil Todeslinie nicht die korrekte Übersetzung ist, sondern Abgabefrist (was im Übrigen eher verwendet wird als "Deadline". Letzteres habe ich bisher nur in der Alltagssprache in Verwendung gehört). Du übersetzt "Crunch" ja auch nicht mit Knusper, sondern mit einem Begriff, der (psychischen) Druck und mentale Belastung suggeriert.
    Gerade Crunch fügt sich aber mangels Alternativen ziemlich gut als Lehnwort in die deutsche Sprache mit ein. Ist auch nicht ungewöhnlich, dass so etwas passiert. Gibt genügend deutsche Begriffe, die auch Lehnworte im Englisch-Amerikanischen sind, z.B. Leitmotiv, Wunderkind* oder Schadenfreude.
    *hier könnte man natürlich "Prodigy" nehmen, aber das ist halt im Gegensatz zu Wunderkind ein mehrdeutiger Begriff und kann für Wunder als auch für Wunderkind stehen.
    Ich hab noch nie jemanden das Wort Crunch sagen hören und kannte es auch nicht bis jetzt :mrgreen:

  4. Mit Pausen natürlich, also keine 15h durcharbeiten, realistisch sind also so 12 bis 13 (Anwälte gönnen sich gern längere Pausen).
    Bezweifle das ruhig so viel du möchtest, ich gebe nur die Erfahrungen von ungefähr jedem Bekannten wieder, die bei entsprechenden Unternehmen gearbeitet haben. Sind alle deshalb irgendwann ausgestiegen, ich glaube niemand hat ein ganzes Jahr gepackt. Auch wenn die Großkanzleien dafür mit 6-stelligen Jahresgehältern schon im ersten Berufsjahr locken und mit sehr lukrativen Aufstiegsmöglichkeiten nach eben den ersten 2 Jahren.
    Ich glaube auch nicht, dass so die beste Leistung der Mitarbeiter abgerufen werden kann. Aber Juristen, sind ein äußerst konservatives Völkchen, die ein sehr eigenes Verständnis der Arbeits-/Leistungskultur pflegen.
    Mit Bezug zu CDPR hier meinte ich ja auch deshalb, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liege. 16 Stunden effektiv arbeiten pro Tag durchgängig seit über einem Jahr wohl kaum, aber ein paar Stunden weniger wären schon möglich oder eben die 16 Stunden nicht jeden Tag sondern nur immer wieder mal.

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