Entwicklerin Catharina Due Bøhler vom norwegischen “Sarepta Studio” konnte mit “My Child Lebensborn” und “Shadow Puppeteer” bereits viel Erfahrung mit emotional bedrückenden Themen sammeln. Vor allem My Child Lebensborn, das die schwere Lage von Eltern im Zweiten Weltkrieg zeigt, trieb die Entwickler immer wieder an ihre Grenzen. Bøhler erzählte, dass sie bei der Entwicklung Meetings unterbrechen musste, um zu weinen. Als einer der Entwickler Vater wurde, konnte er die tragischen Erlebnisse der Kinder, um die man sich virtuell kümmern muss,  sogar gar nicht mehr ertragen. 

 
 

Wieso sollte man sich das antun und ein Spiel mit derart schwerer Kost überhaupt entwickeln? Bøhler erklärte, dass diese Lebensgeschichten eine unheimliche Inspirationsquelle darstellen und viel Material zum Erzählen von Geschichten bieten. Außerdem sei es eine motivierende Herausforderung diese “schweren Themen” in ein Spiel umzuwandeln.
In ihrem neuen Spiel “Project Thalassa! begibt man sich als Tiefseetaucher mit PTSD auf eine Reise. Dabei sei es den Entwicklern wichtig gewesen eine melancholische Stimmung aufzubauen, den Spieler aber nicht mit Schreckmomenten zu beunruhigen. Es sei viel effektiver eine “emotionale Achterbahn”, anstatt der konstanten Angst vor etwas zu erschaffen. Bøhler betonte, dass es bei psychologischen Themen sehr wichtig ist gut zu recherchieren und die menschliche Psyche möglichst breit gefächert darzustellen.


Dabei sollte man alle unnötigen Elemente weglassen und nicht jedes Detail der Geschichte oder Umgebung erklären. In Thalassa wird es außerdem einen stummen Protagonisten ohne definiertes Geschlecht geben, damit möglichst viele Spieler sich damit identifizieren können. Zum Abschluss betonte Bøhler nochmals, dass die Entwicklung von Spielen dieser Art an einem nagt und Entwickler daran denken sollten, genügend Pausen einzulegen und Acht auf sich und ihre Gefühle zu geben. 

  1. VaniKa hat geschrieben: 19.08.2019 12:37 Für mich bedeutet Geschlecht vor allem auch ein gewisses Mindset und Perspektive aufs Leben. Man geht als Mann einfach anders durch die Welt als als Frau. Jede soziale Interaktion ist maßgeblich davon geprägt, was für Geschlechter aufeinander treffen. [...] Die Identität ist also maßgeblich und nicht unbedingt das Aussehen.
    Da hast Du nicht ganz unrecht. Was das Geschlecht, die Kultur, die Hautfarbe, die Religion und noch ganz andere Dinge angeht, gibt es eine ganze Palette von Stereotypen. Das klingt zwar erstmal nach Schubladendenken, aber der Mensch versucht halt seine Umwelt anhand von Erfahrungswerten einzuschätzen. Jemanden nach typischen Handlungsmustern zu bewerten ist einfach eine Form von Energiesparen. Dennoch wissen wir, das sie zwar nicht nie, aber auch nicht immer zutreffen. Zumal wir uns ja in einer Zeit befinden, wo sich solche Stereotypen immer mehr auflösen, weil die herkömmlichen Rollenmodelle nicht mehr ganz so eng gestrickt sind wie zuvor.
    Um mal meine persönliche Erfahrung mit Spielen zu schildern: Ich hatte zum Beispiel keine Probleme, mich mit der Putze in Sunset zu identifizieren. Das sie nicht das gleiche Geschlecht hatte wie ich war überhaupt kein Thema für mich. Ich konnte mich in ihre Situation herein versetzen und habe die Sache so erlebt als wäre ich in ihrer Position. Für mich gab es keinen Aspekt an der ganzen Sache der es mir unmöglich gemacht hätte das zu tun. Ihr Hintergrund, ihr Job, ihre Beziehung zu Ortega, die politschen Geschehnisse in die sie indirekt verwickelt ist... in diesen Schuhen bin ich ne Weile gegangen. Natürlich kenne ich einige der Dinge nicht persönlich, aber das ist ja gerade der Grund für Rollenspiel - um eine Position einzunehmen, in der man noch nicht war.
    Ein anderes Beispiel wäre Shelter 2. Da passen Geschlecht und Spezies nicht, und trotzdem konnte ich mich mit dem Hauptcharakter identifizieren. Man könnte vielleicht sagen, das ich mich nicht in jemanden...

  2. LePie hat geschrieben: 19.08.2019 17:33 Hm, zur GC fand ich auf die Schnelle nix, aber wenige Wochen zuvor hat sie wohl mal einen ähnlich gelagerten Vortrag auf einem TED Talk gehalten: https://youtu.be/s1ge8hwsFOk
    Vielen Dank für den Link! Das Publikum war natürlich keins aus Spielern oder Entwicklern, aber viel gibts in dem Talk nicht zu holen. Sie beschreibt ihr Spiel praktisch als Beispiel dafür, das Spiele auch soziale Komponenten enthalten können und "hohe Kunst" sein können. Über die Vorgänge, wie man mit solchen Themen in Spielen umgehen kann, was man bei der Entwicklung bedenken muss und was es bewirken kann, das wird alles nur sehr oberflächlich angekratzt. Es werden auch keine anderen Beispiele gebracht und wie diese funktionieren, obwohl es in der Branche eigentlich mehr als genug gibt. Zugegeben, sie behauptet das es kein Spiel wie ihres gäbe. Naja. Im Grunde ne Vermarktungsrede für ihr Spiel.

  3. Stumm, geschlechtslos, traumatisiert... klingt neutral, ist angesichts des Zeitgeistes aber eine ziemlich klar definierte Rolle. Und es ist feige. Dem Protagonisten ein Gesicht zu verwehren ist aus heutiger Sicht vor allem Shitstorm-Prävention. Man darf sich als Kunstschaffender nicht so einschränken lassen, sonst können wir das Ding mit Demokratie, künstlerischer Freiheit etc. vergessen.

  4. Doc Angelo hat geschrieben: 19.08.2019 10:25Als Randnotiz: Ich hätte auch kein Problem damit gehabt, wenn der Charakter im Spiel eine Hautfarbe, eine Religion und ein Geschlecht gehabt hätte. Das hat mich noch nie von einer Identifizierung mit dem Charakter abgehalten. Oder noch viel weiter gefasst: Wer von uns Spielern hat sich schon mal mit einem tierischen Protagonisten identifizieren können? Ich denke die meisten. Und auch da gibt es kein Problem, denn es geht um die Situation des Charakters, nicht um die Geschlechtsteile (naja... in den meisten Fällen, zumindest).
    Das Geschlecht umfasst aber nicht nur Geschlechtsteile und tierische Wesen sind wie in Fabeln eigentlich auch meist Stellvertreter von Menschen. Oft haben auch diese Tiere ein Geschlecht. Für mich bedeutet Geschlecht vor allem auch ein gewisses Mindset und Perspektive aufs Leben. Man geht als Mann einfach anders durch die Welt als als Frau. Jede soziale Interaktion ist maßgeblich davon geprägt, was für Geschlechter aufeinander treffen. Lasse ich mich auf einen bestimmten Protagonisten ein, lasse ich mich auch auf dessen Mindset ein und übernehme es. Das lässt uns ja eine Rolle spielen. Die Frage ist nur, ob man jede dieser Rollen wirklich übernehmen will, d.h. das Mindset übernehmen und nachempfinden will*. Sofern eine Figur nicht näher charakterlich spezifiziert ist, greift ein Standard-Mindset, das von Faktoren wie Geschlecht, Rasse/Volk, Klasse und Setting abhängt. D.h. es gibt eine Vorstellung davon, wie ein Mann denkt und fühlt, wie ein Zwerg denkt und fühlt, wie ein männlicher Zwerg denkt und fühlt oder wie ein männlicher Zwerg aus einem bestimmten Zwergenreich denkt und fühlt, ehe dann individuelle Aspekte auf ihn angewendet werden. Dabei ist der Faktor Geschlecht so stark, dass er alle anderen Faktoren wie einen persönlichen Hintergrund trotzdem maßgeblich mitbestimmt. Für mich ist es daher auch bei einer stilisierten Fantasiefigur wie dem Drachen Spyro von maßgeblicher Bedeutung, dass...

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Seite 1