Ende Oktober steht Alan Wake 2 vor der Tür und klingelt pünktlich kurz vor Halloween, um Horror-Fans virtuell nach Süßem oder Saurem zu fragen. Der perfekte Zeitpunkt also, sich jetzt nochmal den Vorgänger vorzuknüpfen.

 

Während der Herbst vor meinem Fenster offenkundige Startschwierigkeiten hat, begebe ich mich zumindest auf dem Bildschirm in die neblige Welt von Alan Wake und statte dem Örtchen Bright Falls einen Besuch ab. Und die Reise in das ländliche Nordamerika und die verwirrende Psyche des schreibenden Titelhelden ist auch wirklich spannend – zumindest abgesehen von einem extrem nervigen Sammelgegenstand.

Alan Wake: 100 Thermoskannen sind mindestens 70 zu viel

Wer Remedy Entertainments Survival Horror beim erstmaligen Erscheinen 2010 oder bei der Veröffentlichung der Remastered-Version vor zwei Jahren gespielt hat, könnte schon ahnen, welches ich meine: Natürlich, es sind die Thermoskannen. Schon nach wenigen Minuten und der stimmungsvollen Sequenz zu Beginn von Alan Wake konfrontiert mich das Spiel mit dem Sammelgegenstand, der mich in den darauffolgenden zwölf Stunden mehr heimsuchen wird als die Wahnvorstellungen des Schriftstellers.

Beim Einsammeln der ersten Thermoskanne klatscht mir als sammelwütiger Completionist nämlich ein dickes „1 von 100“ wie eine Ohrfeige entgegen und prägt mich nachhaltig für meinen gesamten Spielverlauf. Das Wissen, dass sich sage und schreibe hundert Heißgetränkbehälter in den Häusern, Straßen und Wäldern von Bright Falls verstecken und nur darauf warten, von mir gefunden zu werden, brennt sich in mein Gehirn. Warum müssen es nur so viele sein – und warum bindet mir das Spiel diesen Umstand direkt am Anfang auf die Nase?

Jede Ecke verbirgt möglicherweise eine Thermoskanne und wer alle finden will, muss eine Menge Zeit mit Suchen verbringen.

Versteht mich nicht falsch, ich mag Sammelgegenstände: Egal ob die 900 Krog-Samen in The Legend of Zelda: Breath of the Wild oder die Rucksäcke in

Marvel’s Spider-Man

. Aber sie müssen zum Spiel passen, und in einem gut zehnstündigen Survival-Horror möchte ich mich auf die packende Geschichte konzentrieren, nicht mich in dunklen Ecken mit der Bildschirmhelligkeit und dort möglicherweise platzierten Thermoskannen herumschlagen. Denn strikt der Story zu folgen, stellt sich als äußerst schwierig heraus, wenn man bei actiongeladenen Verfolgungsjagden oder wilden Schießereien permanent nach Sammelgegenständen Ausschau halten muss.

Noch mehr als die Existenz der Kannen an sich, ist es die schiere Anzahl, die mich nervt: 100 Stück in zehn bis zwölf Stunden, das sind ungefähr zehn pro Stunde, macht eine alle sechs Minuten! Alle sechs Minuten habe ich, mitunter in der hintersten Wildnis von Alan Wake, eine abgekühlte und vermutlich leergetrunkene Thermoskanne eingesammelt, nur damit die Zahl in den jederzeit abrufbaren Statistiken der 100 immer näher kommt. Das fühlt sich nicht nur wie sinnlose Fleißarbeit an, sondern lässt mich auch viel zu lange in den semioffenen Gebieten verweilen, als es angesichts der linearen Geschichte nötig wäre.

Sammeln um des Sammelns willen

Bevor ihr mit Fackeln und Mistgabeln in die Kommentare zieht: Mir ist natürlich bewusst, dass Sammelgegenstände optional sind. Aber sagt das mal meinem impulsiven Zwang, der beim Aufheben der ersten Thermoskanne erfährt, dass es noch 99 weitere gibt! Zumal man mit den Manuskriptseiten auch noch einen ähnlich häufig auffindbaren Sammelgegenstand in Alan Wake hat, der noch dazu eine Funktion über das Befriedigen des reinen Sammelwahns hinaus erfüllt.

Kaffee im Sandkasten? Hier ist entweder ein übermüdeter Elternteil oder ein sehr frühreifes Kind unterwegs gewesen.

Die verschollenen Blätter von Wakes Werk sind wie Puzzlestücke, die Details zu den wilden Geschehnissen in Bright Falls liefern und ab und an sogar ein bisschen in der Geschichte vorgreifen: Kleine virtuelle Appetithäppchen, die mich tiefer in den Kampf zwischen dem Schriftsteller und der dunklen Präsenz ziehen. Dazu kommt, dass die überall verteilten Manuskriptseiten in ihrer Anzahl und ihren Standorten zumindest halbwegs logisch mit der Geschichte verwebt sind. Ganz im Gegensatz zu den beliebig platziert wirkenden Thermoskannen, mitunter fernab von jedem Hinweis auf Zivilisation.

Am Ende ist es meinem Zwang aber zum Glück nicht gelungen, die Oberhand zu behalten. Ein Blick auf die zahlreichen anderen Sammelobjekte (TV-Sendungen, Radio-Shows, Schilder und Dosenpyramiden) hat mich derart überfordert, dass ich die Thermoskannen so gut wie möglich ausblenden konnte und nur mit 84 von 100 Stahlflaschen bewaffnet in die Credits gestolpert bin. Jetzt hoffe ich nur, dass im bald erscheinenden Nachfolger alle ihre Heißgetränke bei sich behalten und die kleine Verschiebung von Alan Wake 2 nichts damit zu tun hat, dass die Entwickler kurz vor Schluss noch eine weitere Ladung Thermoskannen verstecken mussten.

  1. Ich hab das weder bei Control, noch Quantum Break verstanden warum es keinen seitwärts Hechtsprung, wie noch in Max Payne gab. Vielleicht wollte man es nicht allzu ähnlich machen und seine Wurzeln verraten, ich weiß es nicht. Spielerisch hat es für mich gar keinen Sinn gemacht. Der ganz normale Sprung hat in Kämpfen so dämlich und unpassend ausgesehen und war dazu noch total unnütz. Wie geil wäre das in QB gewesen. Dort fand ich die Kämpfe echt cool, bis auf eben dieses Manko.

  2. Ich bin da im gleichen Camp wie hydro, obwohl Alan Wake bei mir extreme Vorschusslorbeeren hat. Ich liebe das Autorensetting, ich mag Horror(autoren wie Stephen King) ... eigentlich ist das ein match made in heaven für mich. Aber irgendwie hat mich das Spiel überhaupt nicht gepackt und ich habs relativ schnell abgebrochen.
    Control dagegen konnte mich allein vom Gameplay her komplett durch unterhalten.

  3. Das große Problem aller Remedy Spiele, dass es im Grunde einfach 3rd Person Shooter mit der immer gleichen Spielmechanik sind und waren... Control hat das noch bisschen besser ausbalanciert, weil da einfach das Design der Welt und die Ideen einfach purer Wahnsinn waren. Alan Wake war da bei weitem nicht soweit, aber für seine Zeit war Alan Wake absolut großartig. Das kann man nach heutigen Maßstäben gar nicht mehr nachvollziehen, aber für den Ur-Release war es schon ein ziemlich gutes Grusel-Spiel, mit einem schon recht glaubwürdigen Setting. Mit dem Lake und dem Städtchen dazu, war man eben was Szenario und Geschichte angeht ein wenig eingeschränkt.
    Besonders auch deswegen, weil zu der Zeit guter Horror auch nimmer selbstverständlich gewesen ist, habe ich es doch in guter Erinnerung - Silent Hill war da bereits zur Lachnummer verkommen, Resident Evil auf dem Steroide Trip mit Anabolika-Chris und dem ganzen Ballergame-Rotz. Nur das Gameplay von AW ist eben nicht gut gealtert, weil sich die Taschenlampen Mechanik im Laufe des Games furchtbar abnutzt. Damit hat es aber einiges mit den Uncharteds aus der Ära gemein...

  4. USERNAME_10000509 hat geschrieben: 04.10.2023 17:17 [...]
    War Alan Wake doch soviel besser als ich es in Erinnerung hatte?
    Du rennst halt ständig im Wald herum.
    Atmo ist dabei top, aber die Abwechslung war nicht die beste. Größtenteils bist du wegen der Story hier und musst auch mit langen Erzählsequenzen klarkommen oder mit langsamen Laufen während einer Unterhaltung.
    Es ist mehr Spiel als Telltale, aber mehr Erzählerei als in Uncharted. Mancher mag das nicht. Für mich hat es gepasst.
    Man sollte auch nicht versuchen es an einem Stück durchzuspielen. Weil geringe Abwechslung.
    Ich hatte bei meinem ersten Durchlauf jeden Abend eine Episode gespielt. (Es gibt 6 Episoden + 2 DLC, jeweils ca 2 Stunden) Das waren angenehme Happen und weil ich den Tag über was anderes gemacht habe, hat sich das Spiel für mich nicht abgenutzt.

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