Manga Exploitation

Zwar bekommt man in der Rolle eines Gefängnis-Aufsehers von seiner überaus strengen Vorgesetzten erstmal eine geschmiert, doch abseits dieser Ohrfeige fängt in Criminal Girls alles vergleichsweise harmlos an – auch wenn man in der Nachwelt unterwegs ist. Man muss eine Gruppe weiblicher Sünderinnen helfen, vier Kreise der Hölle zu durchqueren, damit sie geläutert wieder in die lebende Gesellschaft eingegliedert werden können.  Die sieben Mädchen, die stellvertretend je eine Sünde darstellen, greifen dabei tief in die Klischeekiste. Von der vollbusigen, stets aggressiven Powerfrau bis hin zum schüchternen Mädchen mit hellseherischen Fähigkeiten wird alles abgegriffen. Durch die interessanten Dialoge (Japanisch mit englischen Untertiteln) wird das klischeehafte Erscheinungsbild zwar wieder deutlich relativiert. Doch auch die interessanten und mitunter witzigen Partydialoge (auf die man keinen Einfluss ausüben kann), täuschen nicht darüber hinweg, dass das klassische Frauenbild in diesem Nippon-Rollenspiel stark strapaziert wird.

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Kampfsystem und Artdesign machen neugierig. © 4P/Screenshot

Denn um seinen Figuren z.B. neue Fähigkeiten anzutrainieren, muss man in den Touchscreen einsetzenden Minispielen seine Schützlinge “motivieren”. Erzählerisch dadurch begründet, dass sie von Quälgeistern vom richtigen Weg abgebracht werden, was sich jedoch auf sexuelle Ablenkung reduzieren lässt, muss man über berührungssensitive Aktionen (sowohl auf der Front als auch der Rückseite der Vita) diese Verführungen verscheuchen. In der Praxis bedeutet dies, dass sich die Spielfigur im Rahmen des stimmungsvollen sehr gut gezeichnet Manga-Artdesigns leicht bekleidet räkelt und man mit einer Peitsche und ähnlichen Werkzeugen die auftauchenden Dämonen verscheuchen muss. Dass hier ein rosa Nebel die visuellen Reize verschleiert und verharmlosen möchte, hilft auch nicht viel. Denn der löst sich bei Erfolg immer weiter auf und erweckt dadurch den Eindruck, dass das “Entblättern” der leicht bekleideten  Pin-Ups die Hauptbelohnung für den Spieler darstellt und nicht das Freischalten der neuen Fähigkeiten. Verfolgt man die Dialoge im Spiel, wird deutlich, dass sich die Entwickler dessen durchaus bewusst sind und sie versuchen, das Thema der Misogynie satirisch anzugehen. Doch in der Art und Weise, wie sie dies umsetzen, konterkarieren sie den Ansatz – zumal man auch mit einem männlichen Wärter die Damen und Mädchen beaufsichtigt und auf den rechten Weg führen muss. Denn unter dem Strich werden die Figuren als S&M-Sexobjekte dargestellt und können auch nicht verschleiern, dass es bei den “Motivationen” eher um Bestrafung geht – einige Internet-Suchen offenbaren auch Bilder, auf denen tatsächlich “Punish” statt “Motivate” steht.

Ausgewogener Zufall

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Das Thema der “Erlösung” von Höllenqualen hätte die stark frauenfeindlichen Ansätze in den Minispielen nicht nötig gehabt. © 4P/Screenshot

Das ist insofern bedauerlich, da das Wandern durch die höllischen Dungeons mit seinen konservativ rundenbasierten Kämpfen diese Diskussion gar nicht nötig hätte. Es steckt ein ordentliches Spiel mit interessanten Mechaniken dahinter. Zwar wird das Höllenthema, das im ersten Abschnitt mit seinen kargen, düsteren Umgebungen überzeugt, später von farbenfroheren Fantasy-Arealen abgelöst, bevor es wieder düsterer und damit thematisch passender wird. Doch es ist vor allem das auf den ersten Blick konventionelle Kampfsystem, das neugierig macht und bei den Nippon-Rollenspiel-Haudegen in der Anfangsphase für ein kleines Umdenken sorgen dürfte. Denn man kann nicht für jede seiner höllischen Heldinnen eine Aktion auswählen – und schon gar nicht die, die man möchte oder die der Situation gerade angemessen wäre. Stattdessen stellt einem die Gruppe vier Aktionen zur Verfügung von denen man eine auswählen darf. Das kann eine der vorher angeeigneten Spezialfähigkeiten sein, ein Solo-Angriff oder eine Attacke, bei der mehrere der Figuren zusammenarbeiten – natürlich hat man keinen direkten Einfluss, wer jetzt mit wem kooperieren soll oder wird, bekommt dies aber angezeigt, so dass man den potentiellen Erfolg dieser Aktion abschätzen kann.

Dieses Zufallsprinzip klingt merkwürdig und kontraproduktiv, wurde aber gut umgesetzt und sorgt in dieser Form für ein Überraschungs- und Spannungsmoment. Und das können die Auseinandersetzungen auch brauchen. Denn bedingt durch die Zufälligkeit der Kampfbefehle sind auch die sporadischen Bosskämpfe des Namens eigentlich nicht würdig. Man muss nur auf die Warnsignale achten, die auf einen aufgeladenen Angriff hindeuten – der Rest läuft wie ein Standardkampf. Mit dem abwechslungsreichen Gegnerdesign bekommt man immer wieder neue Herausforderungen vor die Nase gesetzt und mit ein bisschen Gewöhnung lernt man die Zufälligkeit einzuschätzen, so dass letztlich doch wieder ein Hauch Taktik in die Rundenkämpfe Einzug hält.

  1. Ich persönlich fand das Spiel ja ziemlich gut.
    Ein Last of Us II wird gelobt, weil man in eine Rolle schlüpft, die einem nicht zwingend gefällt.
    Dieses Spiel wurde dafür abgestraft. ..^.^''

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