Die Spielewelt lebt ja bekanntlich von gegenseitiger Inspiration und Befruchtung. Vor allem erfolgreiche Titel ziehen meist viele Nachahmer an – und das ist gut so. Denn wenn man das Vorbild kreativ um eigene Ideen erweitert, können tolle Spiele dabei herauskommen. Schon in der Pionierzeit führte die Begeisterung über Dungeon Master zu Ultima Underworld und ohne Dark Souls wären The Surge oder Nioh vielleicht nicht entstanden. Man könnte die Liste ewig fortführen, wenn man an all die unterhaltsamen Epigonen von Diablo oder Mario denkt. Aber dieser positive Eklektizismus wird umgehend ins Negative verkehrt, in einen uninspirierten Abklatsch, wenn man so plump kopiert wie dieses Studio aus Moskau.
Ja, das Intro ist dramaturgisch gelungen und gut animiert. In diesen apokalyptischen Szenen zeigt sich auch noch so etwas wie ein eigener Ansatz. Aber selbst wenn man zugesteht, dass dieser Comicstil, der an einige Zeichentrickserien der 80er Jahre oder Dragon’s Lair erinnert, niemandem gehört: Das von der Unity Engine inszenierte Ash of Gods ahmt nach der Einleitung das komplette Artdesign von The Banner Saga auf so dreiste Art nach, dass man nicht nur in der Darstellung der Figuren, Kleidung, Landschaft und Reise, sondern auch in jener des Helden und sogar innerhalb der Benutzeroberfläche sowie der Taktikraster (!) sofort das Vorbild erkennt. Wüsste ich es nicht besser, würde ich auf eine Modifikation tippen.
Als Grafikdesigner der Stoic Studios würde ich mich jedenfalls in meinen künstlerischen Urheberrechten verletzt fühlen. Gerade wenn man einer Spielmechanik nacheifern will, was ja okay ist, sollte man auf jeden Fall das Offensichtliche, nämlich das Visuelle, selbst kreieren – sonst wird es ein Abbild! Deck13 hat damals mit Lords of the Fallen zwar den Kampf größtenteils aus Dark Souls nachgeahmt, aber zumindest das Artdesign sowie den Helden komplett neu erschaffen.
Dreister Ideenklau
Aber hier hört es beim Artdesign ja nicht mit dem Klau von Ideen auf, denn selbst die Ausgangslage ist ähnlich: Auch hier ist ein Vater mit seiner Tochter unterwegs – und beide sehen aus wie Verwandte von Rook und Alette aus The Banner Saga. Sag mal, geht’s noch? Die Story rund um
einen mythischen Krieg der Götter ist zwar eine andere, immerhin stammt sie vom russischen Fantasy-Autoren Sergey Malitsky, aber das Motiv der reisenden Gefährten im Zeichen der Apokalypse ist wiederum identisch. Selbst die Darstellung der Reise über die vergilbte Karte auf der einen sowie die Darstellung des Treks von der Seite ist dieselbe. Es gehörte ja zu den markanten Merkmalen von The Banner Saga, dass die Perspektive in diese Ansicht wechselte. Später erkennt man bei den Amuletten und Ausrüstungen sowie dem Aufstieg der Gefährten weitere Ähnlichkeiten…
Und das Storytelling? Folgt demselben Schema: Es wird über viele Dialoge sowie Textfenster mit Entscheidungen vorangetrieben. Nur mit dem großen Unterschied, dass die Charaktere einem hier nicht ans Herz wachsen wollen, zumal die Erzählführung entweder konfus oder die Gefährten selbst einfach bieder sind. Zwar macht die plötzlich zur Realität mutierende Folklore mit der endzeitlichen “Ernte” und dem Nahen der dämonischen “Schnitter” durchaus neugierig, außerdem kommt die Regie schnell zur Sache, so dass die Gefahr für das Land spürbar wird. Interessant ist auch, dass magische Amulette, so genannte “Strixes”, die Menschen vor dem Wahnsinn schützen – und man selbst sowie die eigenen Gefährten haben nur einen begrenzten Vorrat. Daneben spielt auch die Moral eine Rolle, die sich je nach Entscheidungen in Dialogen ändert. Das ist schön, aber auch diese übergeordneten Werte, die zum Management eines Kollektivs animieren, gab es wo? Genau da.
Das große Problem der Story ist zudem: Die deutsche Übersetzung ist so schlampig, dass man an zu vielen Stellen entweder den Sinn nicht nachvollziehen kann oder eine Figur in einem Gespräch so plump wirkt, dass episches Flair umgehend versiegt! Gerade wenn man so viel erzählen will, darf man sich derart grobe stilistische Fehler und Formulierungen aus dem Google-Translator nicht erlauben. So manche im Ansatz interessante Figur wird damit nämlich komplett versaut.
Rundentaktik wie eine Blaupause
Darüber hätte man ja vielleicht noch hinweg sehen können, wenn eben nicht so viel Text zu ertragen wäre und es wenigstens klare spielmechanische Unterschiede mit neuen taktischen Ideen geben würde. Doch selbst der Kern des Spiels, der rundenbasierte Kampf zwischen kleinen Gruppen, wird nahezu identisch inszeniert – nur wesentlich undurchsichtiger als im Original. Auch hier kämpft man in einem schachbrettartigen Raster, wobei jede Figur wie in The Banner Saga zwei Leisten besitzt – eine für das Leben, eine andere für die Energie, die man für spezielle Aktionen benötigt.
Und man kann mit seinen Angriffen natürlich entweder das eine oder andere anvisieren, so dass sogar das duale Prinzip des Vorbilds von Stoic Games komplett sichtbar wird. Zwar kann ich mir vor dem Hieb anzeigen lassen, wie viel Schaden ich machen würde, aber es kommt viel zu oft zu seltsamen Situationen, auch durch Nebeneffekte, die das Taktieren nicht so logisch gestalten wie in The Banner Saga. Zumal es vollkommen sinnfrei ist, dass spezielle Attacken dem Ausführenden auch noch Leben abziehen! Das erhöht einfach nur künstlich die Gefahr, denn wer einmal stirbt ist für immer verloren – wer das nicht mag, muss dem alternativen Story-Modus folgen.
Bis auf Kleinigkeiten schießt und haut man auf dieselbe Art. Die offensichtlichste Neuerung besteht übrigens in den ausspielbaren Karten: Diese kann man statt einer Aktion anwenden, um z.B. Figuren zu heilen, die Defensive zu erhöhen oder Angriffe zu stärken. Zunächst hat man nur eine Hand voll, doch bald kann man sich ein Deck bauen. Besonders viel zur taktischen Unterhaltung trägt das allerdings auch nicht bei, denn so entsteht noch mehr Willkür auf den Schlachtfeldern – da empfehle ich euch lieber Wartile, das diese Mischung besser hinbekommt. Oder Regalia: Of Men and Monarchs, oder Battle Brothers, die innerhalb der Fantasy-Taktik kreativ sind und eigene Wege beschreiten. Hier übernimmt man ja sogar die Defizite aus The Banner Saga, wie etwa die Statik im Gelände, anstatt die Gefechte über Höhenvorteile, Bodenunterschiede oder zerstörbare Hindernisse aufzuwerten. Und selbst wenn man all das dreist Kopierte ignorieren würde, wäre höchstens eine befriedigende Wertung im niedrigen Bereich möglich gewesen.
Dir auch, Jörg.
Da werden wir keinen Konsens finden; ist aber auch alles gesagt. Schöne Ostertage!;)
Und damit sind wir auch wieder on topic: Auch bei Ash of Gods ist das unverhältnismäßig - eine Wertung von 5% ist einfach Banane, wenn du ja selbst sagst, daß das Spiel ohne den Plagiatgedanken eine befriedigende Wertung im niedrigen Bereich möglich gewesen wäre. Dann kann man sich das Ganze auch sparen... mit spielkultureller Pflicht ist da nix in meinen Augen.
Es ist mir aber auch klar, daß sich nichts an den hier geäußerten Meinungen ändern wird - aber schade ist das Ganze halt dennoch.
Lustigerweise ist dieses Spiel anno dazumal bei Jörg noch relativ gut weggekommen. In Übersee hingegen wurde es regelrecht zerfleischt.
Jup, genau den Artikel. Lies auch mal den letzten Absatz, der fast wie ein Nena-Song endet. Mein Vorwurf des larmoyanten Gefasels richtet sich auch an den Redakteur, der nicht einmal kritisch nachfragt und Taschentücher zum Mitheulen verteilt. Hab ich auch so im Forum angeprangert. Und dass die Entwickler tatsächlich denken, sie hätten nicht genug erklärt, dass sie Indie seien oder dass die Presse die Story nicht versteht...oh my, besser wir hören hier auf, ist ja auch nicht das Thema.
Bitte wieder zurück zu Ash of Gods.