Surrealer Höllentrip

Es wird sofort deutlich, bei welchen Vorbildern sich die Zeichnungen von Tormentum bedient haben: Die verschlungenen, knochigen Wände erinnern auf Anhieb an H.R. Gigers Alien-Kreationen. Auch die Monster und bizarren Maschinenwesen, die mir auf meiner Reise begegnen, wirken angenehm surreal und detailverliebt – hier und da muten die schiefen Proportionen allerdings etwas dilettantisch an. Ähnlich wie bei Professor Layton oder in Wimmelbildspielen bekomme ich statische Kulissen zu sehen, auf denen ich nach kleinen Zahnrädchen, magischen Edelsteinen, blutigen Fleischklumpen und anderen nützlichen Dingen fürs Inventar suche. Zwischendurch löse ich zahlreiche ausgelagerte Puzzles sowie einige Rätsel, die in klassischer Point-and-Klick-Manier in die Umgebung  eingebunden sind. Zu Beginn des Spiels weiß ich weder, wer ich bin, noch was ich verbrochen habe, um an solch einen Ort der Qualen verschleppt zu werden. Auch die Wächter, Folterknechte und Gefangenen gehen kaum darauf ein. Anders als bei Professor Layton oder The Whispered World bleiben die Figuren hier sehr flach, da sie jeweils nur eine Hand voll Sätze von sich geben. Meist fungieren sie lediglich als Stichwortgeber für Rätsel oder zu fällende Entscheidungen. Letztere wirken sich auch aufs Ende aus.

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Meist wird das finstere Abenteuer von angenehm ruhigen, düsteren Klängen untermalt. Manchmal werden die Ohren allerdings mit durchgehenden Tönen oder sich ewig wiederholenden Soundeffekten gefoltert. © 4P/Screenshot

Genau hier liegt bereits ein Problem: Woher soll ich z.B. wissen, ob ich eher der eingesperrten Herrscherin im Käfig oder ihrem grimmigen Hofnarr vertrauen soll, wenn ich weder Hintergründe noch die Motivationen für die Fehde kenne? Er will, dass ich sie erledige. Sie möchte lediglich befreit werden, könnte sich aber an ihm rächen. Später werden die Hintergründe zwar aufgeklärt – trotzdem wäre es schön, schon zu Beginn mehr über die Bewohner der seltsamen Vorhölle zu erfahren.

Harte Sitten, leichte Rätsel

Der Hintergrund lässt sich mit der Maus ein Stückchen nach rechts oder links bewegen. Dann verschieben sich manchmal auch die Hintergrundebenen, so dass sich Hinweise wie eine Runen-Inschrift offenbaren. Der Großteil der klassischen Steinchen- und Schiebepuzzles ist zwar hübsch gestaltet, lässt sich aber viel zu leicht lösen. Oft muss ich in den ausgelagerten Puzzles lediglich ein paar Tetris-Teile zusammensetzen oder die Funktionsweise eines einfachen Mechanismus entschlüsseln. Zu häufig nehmen mir die daneben platzierten Wandzeichnungen die Arbeit ab, indem sie wichtige Elemente der surrealen Maschinen erklären. Mehr Spaß haben mir die komplexeren Rätsel gemacht, welche sich über mehrere Bildschirme erstrecken und für die ich erst einmal einige Objekte zusammenraffen soll. Um ein riesiges Grubenmonster zu besiegen, muss ich z.B. einen Klumpen Fleisch vergiften.

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Trotz zweidimensionaler Grafik kommt es beim Scrollen ständig zu kleinen Ruckeleinlagen. © 4P/Screenshot

Dazu benötige ich allerdings erst einmal Zugang zur bewachten Küche, muss an das Gift einer bedrohlichen Spinne gelangen, einen Ofen reparieren und vieles mehr. Richtig knifflig wurde es aber nur, wenn ich auf den detailüberfluteten Bildern etwas übersehen habe. Zunächst ist mir z.B. nicht aufgefallen, dass ich aus einem der Räume hinab in einen tiefen Folterkeller klettern konnte, was durch einen kleinen Pfeil symbolisiert wird. Anderswo haperte es daran, dass das Interface plötzlich seine Logik änderte: Als mich ein Gefangener darum bat, seinen Käfig mit einem Hebel herunterzulassen, musste ich ihn im Gegensatz zu anderen Objekten nicht anklicken, um in eine Detailansicht zu gelangen. Stattdessen wird dort verlangt, ihn mit der linken Maustaste festzuhalten, um ihn dann zur Seite zu bewegen.

Auf in die Freiheit?

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Ähnlich wie in Professor Layton sind die Schiebepuzzles eher lästig – es gibt aber auch fantasievollere Apparaturen, die entschlüsselt werden wollen. © 4P/Screenshot

Nach und nach eröffnen sich immer mehr Wege durch die Folterkammern, bis man schließlich in der weiten Einöde landet, die noch stärker an ein Death-Metal-Cover erinnert. Auf dem Weg zu einem Zug mit organisch anmutender Lok türmen sich jede Menge bizarr verschlungene Knochenberge auf. In einer alten Mine warten ein vermodertes Pferd und andere schaurig-schöne Scheußlichkeiten. Ich verrate natürlich nicht, wie die Geschichte ausgeht, aber im Gegensatz zu vielen anderen surrealen Adventures wird man hier zum Glück nicht ratlos zurückgelassen oder mit einem Cliffhanger konfrontiert. Auch die alternativen Entscheidungen werden am Ende ähnlich wie in Dreamfall Chapters zufriedenstellend aufgelöst und erläutert.

 

  1. Kann das Fazit so unterschreiben. Tolles Design, welches auch als Artbook glänzend funktioniert hätte.
    Das Gemaplay ist keine Offenbarung, aber als Mittel zur Erkundung der Welt durchaus geeignet.
    Die Gut/Böse-Mechanik schien mir bei der Auflösung in bestimmten Fällen ein wenig willkürlich zu sein, aber sie ist intuitiv ins Spielgeschehen eingebaut. Niemals habe ich gedacht: "Ich würde ja jetzt gerne x tun, aber y ist für's Weiterkommen bestimmt sinnvoller" - Alle Entscheidungen fielen aus dem Bauch heraus.
    Am Ende habe ich ca. 3 Stunden bis zum Abspann gebraucht, und wenn man ganz verrückt ist, kann man noch ein zweites Mal Spielen, um das andere Ende zu sehen. Ich habe mich jedenfalls für die Variante YouTube entscheiden, da sich auch bei unterschiedlichen Entscheidungen nichts wesentliches am Spiel ändert. Charakter X würde in bestimmten Szenen lediglich durch Charakter Y ersetzt.
    Für 10€ wurde ich gut unterhalten und ich hoffe, dass von diesem Studio mehr in der Richtung kommen wird.

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