Fraktale Freuden


Vergleiche mit M.C. Escher sind ausgesprochen beliebt: Wann immer ein Spiel, wie z.B. Echochrome oder The Bridge, mit scheinbar unmöglichen Perspektiven sowie deren Auflösung im 3D-Raum kokketiert, denkt man unweigerlich an die Werke des niederländischen Grafikers, z.B. an seine Wasserfall- oder Treppen-Bilder. Zwar arbeitete auch Maurits Cornelis Escher vielfach mit Mustern, die sich in die Unendlichkeit fortsetzen, mit Spiegelungen und Symmetrien – um das hier vorliegende Maquette treffend zu beschreiben, finde ich eine Analogie zu Fraktalen aber viel geeigneter. Dieser Begriff stammt vom Mathematiker Benoit Mandelbrot – mancher kennt vielleicht sein berühmtes „Apfelmännchen“ – und bezeichnet Gebilde oder Muster, die eine hohe Selbstähnlichkeit aufweisen, die z.B. immer wieder gleich aussehen, egal wie nahe man „heranzoomt“. 

 

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Vom Start weg wird die Geschichte auch mit hübsch eingeblendeten Texten erzählt. © 4P/Screenshot

Bei Maquette verhält es sich nämlich so: Als Spieler ist man in einer 3D-Welt unterwegs, die ein bisschen an Jahrmarkt oder Disneyland erinnert. Im Zentrum dieser Welt steht ein rotes Kuppelgebäude – und innerhalb dieses nur wenigen Metern großen Baus findet man eine miniaturisierte Abbildung der Spielwelt. Tritt man davon zurück und schaut sich um, wird deutlich, dass auch außerhalb der normalen Umgebung nochmal eine größere Version desselben Kosmos exisiert. Das ist eine wirklich schöne Idee, die sich einfügt in eine kurze, aber illustre Reihe besonderer Videspiele – und zwar die des dänischen Stealth-Abenteuers Echo mit seinen endlosen unterirdischen Palästen und von Manifold Garden, dessen abstrakte Architektur sich ebenfalls bis in die scheinbare Unendlichkeit wiederholte.

 

Knobeln nach Matrjoschka-Manier

 

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So geht die Klein-Groß-Mechanik: Die links mit einem Schlüssel gebaute Brücke ist rechts im Bildhintergrund in riesiger Form zu sehen. © 4P/Screenshot

Etwas banaler gedacht, könnte natürlich auch die berühmte russische Schachtelpuppe Pate gestanden haben für die Spielidee von Maquette. Der Schlüssel zur Lösung der meisten Kopfnüsse besteht in der pfiffigen Ausnutzung der sich wiederholenden, aber in unterschiedliche Dimensionen vorhandenen Strukturen. Ein Beispiel: Steht man in der normalgroßen Welt vor einem unüberwindbaren Graben und in der Nähe liegt einen Schlüssel von circa 30cm Länge herum, dann sollte man den mitnehmen. Und zwar zur Miniaturversion der Spielwelt im roten Kuppelbau – dort kann der Schlüssel über den Schlossgraben gelegt werden und bildet eine Brücke. Kehrt man nun zum Ausgangspunkt zurück, kann man selbst über die riesige Schlüsselbrücke laufen. Natürlich haben sich die kalifornischen Entwickler – Maquette ist ihr erstes Spiel – noch weitere Ideen rund um diese Mechanik herum ausgedacht: Mal kommt man in der großen Welt nicht an einen Kristall heran, kann ihn im Mini-Kosmos aber so leicht stibitzen wie man einen Stuhl aus einem Puppenhaus holt. An anderer Stelle scheint der Eingang zu einem Gebiet versperrt: Aber was wäre, wenn man es im großen Bruder desselben Gebiets eine Iteration weiter draußen versuchen würde? Könnte man da vielleicht einfach zwischen den riesigen Zaunlatten durchspazieren?

 

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Schaut stark aus. Warum es den Spieler hierhin verschlägt, verraten wir natürlich nicht. © 4P/Screenshot

Neben derlei Kopfnüssen gibt es in Maquette immer wieder Passagen, wo man einfach nur umherwandert oder sich ein, zwei weiterer, recht simpler Mechaniken bedient, um z.B. in einem Labyrinth den Ausgang zu finden. Das hat mich stark an Ian Dallas’ Debütwerk The Unfinished Swan erinnert: In dieser Indieperle (auf die What Remains of Edith Finch folgen sollte) versuchte sich das Team an mehreren Mechaniken, deren Möglichkeiten aber nicht ganz ausgereizt wurden. Auch bei Maquette hat man trotz einiger erhellender Momente das Gefühl, dass noch mehr drin gewesen wäre, noch eine Prise mehr Wow-Effekt ob des Potenzial der Verkleinern-Vergrößern-Technik.

 

Päarchengeschichte

 

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In der Kuppel rechts findet man die gesamte Spielwelt in klein wieder – hier ist die Spielfigur schon recht klein im Vergleich zur Architektur. © 4P/Screenshot

Zum Glück springt die angesichts solcher Versäumnisse die nette Hintergrundgeschichte in die Bresche: Sie erzählt nicht nur eine anrührige und realistische (wenn auch etwas klischeehafte) Liebesgeschichte zweier junger Menschen, sondern sorgt auch für Unterhaltung während so mancher Laufwege. Zusätzlich zu den hervorragend vertonten Sequenzen gibt es immer wieder Texte, die elegant in die Spielwelt eingeblendet werden und von den Höhen und Tiefen des Zusammenlebens berichten. In puncto Metaphorik ziehe ich meinen Hut: Wenn in der Geschichte die Rede auf gemeinsame Aktivitäten oder auch Risse in der Beziehung kommt, findet sich häufig eine elegante Visualisierung dieser Motive in der Spielwelt wieder – stark! Während die Steuerung in Egosicht grundsätzlich in Ordnung geht, könnt die Handhabe der dreh- und skalierbaren Gegenstände ruhig intuitiver sein – ich habe mir dadurch zwar keine Rätsellösung verbaut, aber gelegentlich doch etwas mit der Platzierung von Objekten gerungen. Während die beiden englischen Sprecher (das Schauspieler-Pärchen Bryce Dallas Howard und Seth Gabel) ihren Job ganz vortrefflich machen, kann die Qualität der deutschen Untertitel da nicht mithalten – neben ein paar Schreibfehlern stört vor allem das extrem billige Aussehen der Textboxen. Maquette ist auf allen Plattformen ein hübsches Spiel; das verdankt es aber seiner künstlerischen Gestaltung, nicht hyperrealistischen Texturen; obendrein müssten die sporadischen Ruckler auf einer PS5 wirklich nicht sein.

  1. War recht spaßig. Allerdings kann man sich auch in Sackgassen knobeln, wenn man nicht aufpasst. Ist mir zweimal passiert. Also legt regelmäßig ein manuelles Save an!

  2. Das Spiel sah schon ganz nett aus und wahrscheinlich hätte ich dies sogar gekauft. Umso besser, dass das jetzt bereits im PS Plus drinnen ist. Habs schon der Bib hinzugefügt. Wenn ich endlich mal die PS5 ergattere, werde ich einiges zu spielen haben.

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