Trägheit als Konzept

Während viele Spiele sich damit schmücken, eine gut reagierende sowie punktgenaue Steuerung anzubieten, macht Human Fall Flat ähnlich wie Octodad das Gegenteil zu einer Säule des in erster Linie auf Physikrästel setzenden Puzzle-Konzepts. Die Hauptfigur Bob, die wie eine Gelee-Figur wirkt und deren Bewegungen einer Marionette ähneln, lässt auf den ersten Blick alles zu wünschen übrig, was akkurate Kontrollen auszeichnet. Die Fortbewegung findet weitgehend über Tippelschritte statt und hält dank Trägheit immer einen Tick länger vor als wünschenswert ist. Bob beim Sprung präzise zu kontrollieren ist nahezu unmöglich. Und wenn man bei der Landung nicht aufpasst, kann es vorkommen, dass die Schwungkräfte dafür sorgen, dass er über die Kante in die Tiefe stürzt und nach einer kurzen Falldauer in diesem surrealen Traum in der Nähe des Ortes landet, von wo er seinen missglückten Versuch unternahm. Natürlich könnte man dem Sturz entgegen wirken, indem man versucht, sich mit den Händen festzuklammern oder dem Körper sämtliche Spannung zu entziehen. Doch bei Letzterem haben die Schwungkräfte weiterhin Bestand. Und die Koordination der Hände ist eine Kunst für sich und eine weitere Stütze des Puzzlefundaments.

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Die Gebiete werden zunehmend größer und animieren zum Erforschen. © 4P/Screenshot

Über die Schultertasten kann man für jede Hand individuell das “Greifen” aktivieren, wobei ein “Kleben” die Handlung genauer beschreibt. Denn sobald die Hand mit aktivierter Schultertaste etwas in der Welt berührt, wird sie an dieser Position befestigt. Das kann an einem beweglichen Element sein, aber auch natürlich an einer statischen Stelle wie einem Felsvorsprung. Die vertikale Position des Greif- bzw. Klebevorgangs legt man durch die Kameraperspektive fest. Sprich: Schaut man nach oben, hebt Bob die Arme. Schaut man nach unten, bückt er sich und kann z.B. auf diesem Weg auch Sachen aufheben. Mit etwas Übung ist das Betätigen von Schaltern, das Öffnen von Türen, das Werfen von Gegenständen wie z.B. Steinen und selbst die Manipulation eigentlich zu schwerer Elemente wie Pritschenanhängern oder Motorbooten (!), kein Problem. Und springt man mit gehobenen Armen und macht sie an Vorsprüngen fest, kann Bob den Rest seines trägen Körpers über die Kante nach oben bugsieren und sich so seinen Weg nach oben bahnen, wenn es sein muss. Und spätestens hier wird deutlich, dass die gesamte Trägheit ein Teil des Konzeptes ist. Denn das eigentliche Festmachen der Hände ist punktgenau und akkurat. Dass die Manipulation von Gegenständen im Rahmen der gelatineartigen Bewegungen aber dennoch zu einer Herausforderung wird, ist das dritte Standbein von Human Fall Flat.

Das Maximum herausgeholt

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Obwohl das Steuerungskonzept denkbar einfach ist, sorgen Physik und Trägheit dafür, dass selbst das Rudern zu einer Herausforderung werden kann. © 4P/Screenshot

Und im Rahmen dieser Möglichkeiten holt das in immer größeren Arealen angeordnete, aber letztlich auf kleine “Zimmer” beschränkte Puzzlekonzept das Maximum aus den Gegebenheiten heraus. Es beginnt bei kleinen Aufgaben wie dem Öffnen von Türen oder Betätigen von Schaltern. Später muss man z.B. Bretter platzieren, um einen an einem Flaschenzug befestigten Stein zu erreichen, den man allerdings erst über ein Schwungrad in der richtigen Position platzieren muss. Katapulte müssen aufgezogen und mit Steinen geladen werden. Man muss Wände und Glasscheiben zerstören oder ein Arsenal an Booten steuern. Sprungsequenzen müssen bewältigt werden. Das Schwingen an Streben oder hängenden Objekten wie Abrissbirnen (hier ging mir für einen wirren Moment tatsächlich “Wrecking Ball” von Miley Cyrus durch den Kopf) oder Laternen an meterlangen Ketten gehört ebenfalls dazu. Zusätzlich zu diesen Fingerfertigkeit fordernden Elementen werden aber auch immer wieder die grauen Zellen strapaziert. Wie kommt man mit den zur Verfügung stehenden Mitteln an das Brett? Wie kriege ich das Boot ins Wasser? Wie bekomme ich die Laterne von dem Vorsprung runter? Meist gibt es dafür nur eine Lösung, mitunter kann man aber durch Experimentieren auch andere Wege ans Ziel finden. Schade ist dabei allerdings, dass die größeren Gebiete einen zwar zum Erforschen locken, man dabei aber nahezu nichts entdecken kann, was einem beim Lösen der Aufgabe weiterhilft. Zudem werden die Anforderungen zwar gut kombiniert, aber letztlich kann nicht kaschiert werden, dass die Interaktionsmöglichkeiten vergleichsweise gering sind. Dennoch gibt es im Zusammenspiel mit der gut ein- sowie umgesetzten Physik immer wieder Situationen, in denen man sich umschauen sowie überlegen muss, wie man jetzt weiterkommt und ein Lächeln schließlich quittiert, dass man es geschafft hat.

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Man kann auch zu zweit versuchen, Bob(s) aus den Traumwelten zu retten. © 4P/Screenshot

Dabei betrachte ich es sogar als hilfreich, dass die Kulisse sich als eher zurückhaltend und klar strukturiert präsentiert. Denn zum einen wird dadurch die surreale Traumwelt gut charakterisiert, aus der Bob herausfinden muss. Zum anderen sorgt diese Sparsamkeit dafür, dass die Hauptfigur mit ihrem comichaften Aussehen nicht unnötig aus dieser Welt hervorsticht. Worauf ich allerdings hätte verzichten können, sind die gelegentlichen Clipping-Fehler, die angesichts der leicht kargen Umgebungen definitiv hätten vermieden werden müssen. Dabei meine ich allerdings weniger das seltene Wirrwarr rund um Bobs Armposition nach einem Sturz, sondern vielmehr Steine, die durcheinander durchragen. So wirkt die  Physik genauso wenig akkurat wie das Wasser, das sich immer wieder bei Wellengang in Booten zeigt und kurz darauf wieder von Geisterhand verschwindet.

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