Elektroschocks für die Synapsen

Auf der Strecke sorgt der Overkill der Sinne für ein erhebendes Gefühl: Das Erlebnis erinnert tatsächlich an das, was früher beim Anschauen des Rasenmähermanns durch meinen Kopf geisterte. Ein Grund dafür ist natürlich die tolle Immersion, die mir immer wieder ein angenehmes Kribbeln verschafft und bisher kein Future-Racer ohne VR-Unterstützung derart intensiv vermitteln konnte. Auch auf PSVR funktioniert das freie Umsehen richtig gut. Dadurch kann ich nicht nur die abenteuerlich verschnörkelten Röhrenbahnen bewundern – die Technik ermöglicht auch vorausschauendes Fahren. Anders als auf einer platten Rennstrecke sehe ich oft schon an den Schleifen über mir, welche Fallen und Rivalen mich als nächstes erwarten. Zu Beginn ließ ich den Blick nur selten schweifen, weil das schnelle Renngeschehen in VR ziemlich vereinnahmend wirkt. Doch mittlerweile habe ich das Konzept besser verinnerlicht und plane meine nächsten Manöver viel genauer: Zuerst nehme ich die drei diagonalen Beschleunigungsfelder mit, flitze mittig durch die roten Fallen und springe schließlich mit dem Katapult an die geriffelte Decke.

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Gesteuert wird ganz klassisch im Sitzen mit dem Controller. Umschauen kann man sich jederzeit mit dem VR-Headset. © 4P/Screenshot

Diese Gitter tauchen ab und zu über der Röhre auf. Das Fahrgefühl erinnert dort ein wenig an F-Zero GX, allerdings ist die einsteigerfreundliche Steuerung hier weit weniger nervös und feinfühlig. Das ist einerseits gut, weil meine Aufmerksamkeit inmitten des hektischen Gerempels nicht überfordert wird, im Gegenzug kann ich aber bei weitem nicht so präzise durch die Kurven düsen wie z.B. in WipEout mit seinen Luftbremsen. Der Ablauf der Rennen ist etwas minimalistischer gehalten als bei der Konkurrenz. Auf der Außenseite der Röhren muss ich einfach nur möglichst geschickt die Ideallinie erwischen. Nebenbei versuche ich noch, Beschleunigungsfelder und Rampen zu treffen. Außerdem darf ich nicht zu exzessiv auf den Boostknopf hämmern, da sich der Turbo bei der Schildenergie meines Renngleiters bedient. Sie lässt sich ähnlich wie in F-Zero in kleinen Tankstellen-Zonen aufladen. Ist die Leiste erstmal leer, führt ein Crash mit anderen Triebwerken schnell zur Explosion.

Knackige Positionskämpfe

Dank einiger Updates wird etwas mehr Abwechslung geboten als das zum Start der PC-Version der Fall war. In punkto Umfang kann Radial-G noch immer nicht ganz mit der Konkurrenz mithalten, zumal es hier keine Spieldesign-Kniffe wie die farbig differenzierten Boost-Tricks aus Fast Racing Neo gibt. Statt vier freischaltbaren Fahrzeugen stehen neuerdings sieben Exemplare zur Wahl und die größtenteils zeilsuchenden Waffen bringen etwas mehr Spannung in die Rennen: In manchen Modi sammelt man sie auf gelben Feldern ein und ärgert seine Gegner dann mit einer Laserkanone, einigen Raketen, Minen oder einer cool designten Schwebekugel, welche dem Vordermann Stromschläge verpasst. Die Waffen wirken sich zwar nur bedingt auf den Rennverlauf aus und ihnen mangelt es im Vergleich zur Konkurrenz an audiovisueller und haptischer Wucht, die man durch Vibrationen, den Subwoofer oder fette Explosionen mächtiger hätte umsetzen können. Sie sind aber immerhin eine schöne dezente Ergänzung, welche die Karriere etwas abwechslungsreicher gestalten. Die Spielmodi umfassen eine Sammlung klassischer Meisterschaften, Ausscheidungsrennen und Duelle. Die (nach wie vor neun) Strecken wirken durch ihre abenteuerliche Konstruktion durchaus imposant, bieten aber zu wenig charakteristische Eigenheiten oder Sehenswürdigkeiten, so dass sich im Endeffekt vieles ähnelt.

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Ab und zu erfordern Abzweigungen gute Reaktionen und Planung. © 4P/Screenshot

Der Anstieg des Schwierigkeitsgrads im Laufe der drei Geschwindigkeitsklassen wirkte mittlerweile besser ausbalanciert, was allerdings an meiner auf dem PC gesammelten Erfahrung liegen könnte. Die knifflige Jagd nach Rekorden und Positionen hat mich aber sofort wieder angespornt. Für zusätzliches Adrenalin sorgt die flotte Musikuntermalung mit basslastigem Drum-n-Bass und hektisch blubberndem Acid-Techno, die mich übrigens zu einem DJ-Mix inspiriert hat. Manchmal wird der Geschwindigkeitsrausch allerdings von aggressiv rempelnden Gegnern gestört, die zudem etwas ruckartig animiert sind. Eine weiterer Schwachpunkt sind die dunklen Metalloberflächen, welche mangels Spiegelungen und Effekten ähnlich flach und stumpf aussehen wie in Aliens: Colonial Marines. Vielleicht war einfach nicht mehr drin, wenn die Bildrate stabil bleiben sollte. Es kam weder auf der Standard-Konsole noch auf der PS4 Pro zu Rucklern. Größere grafische Unterschiede konnte ich nicht erkennen. Lediglich Objekte wie die Schrift im Cockpit wirken auf der Pro einen Deut schärfer, was eine Folge des Supersamplings sein dürfte.

Mutprobe für den Magen?

Die Simulationskrankheit ist schon ein seltsames Phänomen: Jeder Spieler erlebt bei unterschiedlichen Konzepten offenbar ganz individuelle Wehwehchen. Beim Anzocken von Eve: Valkyrie z.B. dreht sich mir schon nach Sekunden der Magen um, in Radial-G dagegen kribbelt‘s nur manchmal ein wenig im Bauch – so ähnlich wie in einer Achterbahn. Und das, obwohl ich in einem Wahnsinnstempo über wild verdrehte Korkenzieher rase und mich binnen Sekunden mehrmals überschlage. Vielleicht liegt es am Schienensystem, das ich immer im Blick habe und das mir so Sicherheit gibt. In Achterbahnen wird mir schließlich auch nur selten übel; in anderen Fahrgeschäften schon eher. Wer trotzdem nicht damit klarkommt, darf alternativ auch auf dem Fernseher spielen – wodurch aber das Mittendringefühl aber ähnlich stark leidet wie im TV-Modus von Polybius

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Vorsicht, aggressive Gegner! © 4P/Screenshot

Zum Abschluss gibt es noch die Antwort auf die obligatorische Frage nach der Geschwindigkeit: Selbst in der schnellsten Klasse bleibt es langsamer als in WipEout, F-Zero oder gar dem pfeilschnellen Fast RMX. Das Tempo liegt grob geschätzt in einem ähnlichen Bereich wie in Rollcage: Stage 2 oder Distance – was auf den wilden Korkenziehern von Radial-G aber auch völlig ausreicht. Neben der Karriere, Einzel- und Zeitrennen mit diversen weltweiten Bestenlisten gibt es im Hauptmenü auch einen Online-Modus, der in unserem Test für einfach gestrickte aber spannende Duelle sorgte. In seltenen Fällen kam es allerdings zu kurzen Hängern des Bildes. Wer möchte, kann sich mit Freunden auf einem der vier offiziellen kontinentalen Server treffen. Oder man hostet einfach selbst ein Spiel für bis zu acht Piloten, um die wichtigsten Feinheiten festzulegen. So lassen sich z.B. Kollisionen und die teils rotierenden Hindernis-Tore deaktivieren, sämtliche Modi aus dem Einzelspieler auswählen oder die Geschwindigkeitsklasse vorgeben. Auf den vier Kontinentalservern dürften sich auch nach dem offiziellen Start nur wenige Gegner finden, daher kann man leere Plätze mit unterschiedlich starken Bots auffüllen. Ein Schwachpunkt ist, dass man nicht direkt aus dem Spiel Freunde einladen kann.

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