Wander-Simulator
Endlich trifft der Begriff mal zu, denn in Where the Water Tastes Like Wine geht man tatsächlich auf Wanderschaft. Warum? Weil man zu hoch gepokert und verloren hat. Der Einsatz war ein Versprechen, das man dem Gewinner gab, einem Mann mit dem Gesicht eines Wolfs. Und der hat einen ungewöhnlichen Wunsch: Er will Geschichten hören, aber nicht irgendwelche. Wahre Geschichten sollen es sein, denn die meisten wären vom Hörensagen verfälscht.
Und so wandert man über eine wie auf Leinwand gemalte Karte der USA, um in Städten sowie an Lagerfeuern, Farmen oder vereinzelten Häusern Erzählungen zu sammeln. Dafür steuert man einen markierten Ort an, verfolgt die mit Zeichnungen und
Texten vorgetragenen Ereignisse und zieht weiter. Filmszenen gibt es nicht; alle Begebenheiten werden wie ein Hörbuch von dem Mann mit dem Wolfsgesicht vorgetragen, visualisiert nur von thematisch passenden, farbigen Skizzen.
Romantik und Realismus
Dieser Wolfsmann, gesprochen übrigens von Sting, ist dabei wegweisend, nicht nur als Auftraggeber, sondern auch als Symbol für die Mischung aus fiktiven, aber potentiell alltäglichen sowie übernatürlichen Erlebnissen, die wohl kaum der Realität entsprungen sein können… die sprechende Schlange etwa, die einen makaberen Glücksbringer bewacht, oder die unheimliche Kreatur, deren rote Augen durch den Regen in Detroit starren.
Johnnemann Nordhagen und 15 weitere Autoren zeichnen ein ebenso romantisches wie realistisches Bild des damaligen Amerika. Sie sprechen soziale, politische, wirtschaftliche und rassistische Themen an, ohne sie wie Lehren vorzutragen. Der Zeitgeist ist immer nur Hintergrund, vor dem man die Suche nach Arbeit, verheerende Unwetter oder einen Mord erlebt und einfach zuhört, wie Andere von ihrem Leben erzählen.
Der Bann eines Hör-Spiels
Überhaupt ist es die Art und Weise, mit der das Erlebte beschrieben wird, die das Abenteuer auszeichnet. Denn von der vielseitigen, vereinnahmenden Stimme des Erzählers, der fast alle Texte spricht, geht eine magische Anziehungskraft aus.
Es sind außerdem die Geschichten selbst, oft nur wenige Zeilen lang, die hervorragend geschrieben sind und oft einfallsreiche Wendungen nehmen. Mit wenigen Worten lassen die Autoren plastische Umgebungen entstehen, sie regen zum Nachdenken an oder wecken Mitgefühl. Oft staunt und lächelt man noch, wenn das Alter Ego schon längst wieder über die Landkarte wandert.
Klingt interessant, ist wahrscheinlich was für Open-World-Fetischisten wie mich.
Irgendwo hab ich gelesen dass der Autor bisher wohl nicht viel an dem Projekt verdient hat. Mal sehen ob sich daran was ändern lässt.